Heike Pirngruber ist seit Mai 2013 mit ihrem Fahrrad auf Weltreise. In dieser Zeit hat sie eine Menge erlebt und sich vielen Herausforderungen gestellt, die sie teilweise an ihre Grenzen brachten. Doch Aufgeben war nie eine Option, denn dafür liebt sie ihr Leben „on the road“ viel zu sehr.
1.Heike, Du radelst seit fast zwei Jahren mit Deinem Fahrrad um die Welt. Wie kam es zu der Idee?
Ich hatte die Idee einer Fahrradweltreise schon viele Jahre im Kopf. Aber irgendwie kam nie der richtige Zeitpunkt dafür. Als ich dann nach einer langen Verletztungsphase endlich wieder einigermaβen fit war, hatte ich das dringende Bedürfnis es anzupacken. Es was die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.
2.Wo befindest Du Dich derzeit und wie ist Deine weitere Route?
Im Moment bin ich in Taiwan, eine wunderschöne Insel voller unheimlich netter Menschen. Als nächstes steht Japan, Korea und Russland auf dem Plan, was danach kommen wird, weiss ich noch nicht. Ich habe festgestellt, dass Pläne manchmal einfach nicht funktionieren, denn sehr häufig setzt einem die Bürokratie der Länder ein Limit. Daher lebe ich nun nach dem Motto: „Alles ist offen“ und lasse mich von meinen Gefühlen leiten.
3.Benutzt Du auch mal andere Transportmittel?
Sehr sehr selten, nur dann wenn es nicht anders geht.
Ich war z.B. in der Türkei überfallen worden und habe daraufhin kurzfristig entschieden einige Kilometer mit dem Bus zu fahren.
In Armenien waren die Pässe komplett zugeschneit, es ging nichts mehr und ich habe mich aus den Bergen rausfahren lassen. Auch im Iran erwischte mich der Winter und ich fuhr eine längere Strecke mit dem Bus. Auch wurde ich im Iran von der Polizei aus einem Gebiet heraus gefahren in dem ich mich nicht aufhalten durfte und saβ somit auch hier in einem anderen Transportmittel.
In Guilin/China hat die Polizei mir erst nach 15 Tagen eine Visumverlängerung ausstellen wollen und ich musste daher zwangsweise das Land mit dem Bus/Fähre Richtung Taiwan schnell verlassen. Zudem habe ich die Fähre von Athen in die Türkei benutzt, und vom Iran in die Vereinigten Emirate.
4.Wo übernachtest Du?
Überall wo man schlafen kann. Im Zelt irgendwo weit weg von der Zivilisation, aber auch in Schulen, öffentlichen Gebäuden, bei Leuten im Garten, auf der Polizei, die mich in China gerne aufgenommen und verpflegt hat. Irgendwo geschützt vor dem Regen und Wind unter Brücken, Rohbauten und in Taiwan auch einmal bei der Feuerwehr und im Klo eines Besucherzentrums.
Bei Leuten privat. Vorallem in den muslimischen Ländern bin ich non stop eingeladen worden und habe oft mit vielen Familienmitgliedern zusammen irgendwo im Wohnzimmer auf dem Boden genächtigt. Aber auch in Moscheen, Kirchen, Tempeln.
In manchen Teilen Chinas, Laos und Vietnam habe ich auch öfters in einer billigen Unterkunft übernachtet, da es dort nicht ganz so einfach ist einen Zeltplatz zu finden und man fast nie ins Haus eingeladen wird.
5.Gab es gefährliche Situationen oder besondere Hindernisse, die Du auf Deiner Reise bisher erlebt hast?
Ja, das gehört dazu.
Ich bin in der Türkei mit einem Messer überfallen worden, ein Glück wurde nur nach Geld und Handy gefragt. Ich bin mehrfach mit Steinen beworfen worden, von vier Motorradfahrern verfolgt worden, von vier Hirtenhunden gleichzeitig angefallen worden und einige Male hatte ich sexuelle Aufforderungen, denen ich aber sehr gut aus dem Weg gehen konnte.
Ich möchte nicht wissen, wie oft ich Glück hatte nicht vom LKW überfahren worden zu sein, denn das ist die Hauptgefahr für eine Weltradlerin.
Hindernisse gab es einige. Doch das macht so eine Reise ja auch spannend, würde alles immer funktionieren, wäre es ja wie Badeurlaub auf Malle.
China war ziemlich anstrengend durch die vielen Vorschriften, die man mir immer wieder auferlegt hat.
Turkmenistan hat mir nur 5 Tage Zeit gegeben um das ganze Land zu durchqueren.
Oftmals wird man einfach in eine komplett neue Situation hinein geschmissen und muss eben zusehen wie man die Aufgabe löst.
6.Welches Land hat Dich besonders überrascht und nachhaltig beeindruckt und weshalb?
Wo soll ich anfangen?
Der Iran war die positivste Überraschung bisher. Ich hatte schlechte Erfahrungen in der Türkei gemacht und hatte daher grossen Bammel vor dem Iran. Doch die Iraner haben mich 9 Wochen lang wie eine Heldin gefeiert und non stop verwöhnt.
China. Das Land ist so vielfältig und beeindruckend, zudem brutal anstrengend und nervig zugleich. Die fünf anstrengsten Monate bisher.
7.Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen und einfach zurückzufliegen?
Die erste Krise hatte ich in Usbekistan. Ich hatte die Nase komplett voll von der Wüste, aber auch von den immer wieder kehrenden gleichen Fragen, die man mir nun seit der Türkei gestellt hatte. „Bist Du verheiratet?“ „Hast Du Kinder?“ „Wie alt bist Du?“ „Bist Du alleine?“ „Woher kommst Du?“
Ich hätte das Rad am liebsten in die Ecke geschmissen, doch ich fand dann ein Hostel in Samarkand, ein kleines Paradies mit Reisenden aus der ganzen Welt. 10 Tage verbrachte ich dort und war danach wieder bereit für die Straβe.
Die nächste Krise hatte ich in Laos. Ich hatte unter anstrengenden Bedingungen das ganze riesige Land China durchquert und fiel dann in Laos in ein Loch. Ich konnte mich nicht mehr wirklich für irgendetwas begeistern, mir war alles zu viel gewesen und ich quälte mich. Doch Vietnam gab mir wieder neue Kraft und auch dieser Tiefpunkt war überwunden.
8.Was war Dein bisher schönstes Erlebnis auf Deiner Reise?
Puuh, es waren hunderte….
Den tollsten Zeltplatz hatte ich in einer dramatisch schönen Schlucht im Oman. Ganz alleine genoss ich die Sternenwelt, wärmte mich an meinem kleinen Lagerfeuer und träumte dabei von der weiten Welt.
Die tollste Aussicht genoss ich irgendwo in China/Sichuan auf 4000m.
Das leckerste Essen gab es kurz nach der Kasachischen Grenze in China, als ich nach vielen vielen kulinarisch trostlosen Monaten mein erstes Essen aus dem Wok gezaubert bekam.
Eine wunderschöne Einladung in ein Vietnamesisches Haus, in dem ich die Chance hatte am Feuer zu sitzen und mit der ganzen Familie gebackenen Maniok und gegrillten Bambus zu essen.
Ein Candle light dinner gemeinsam mit einer Bauernfamilie in einer Jurte hoch oben in Albaniens Bergen.
Ein Picknick auf einer verkackten Schafswiese in den Bergen Kirgistans, als eine Frau zu mir kam und mir Tee und Bonbons brachte.
Und und und.
9.Inwieweit hat Deine Reise Dich geprägt und als Mensch verändert?
Gute Frage. Kann ich selbst beurteilen ob ich mich verändert habe? Manchmal glaube ich ja, manchmal allerdings glaube ich, dass ich noch die Gleiche bin.
Ich habe irre viel gelernt, natürlich über andere, aber auch über mich selber. Ich bin selbstbewusster geworden, glücklicher, aber auch einsamer. Zudem stelle ich fest, dass ich immer öfters mit mir selber rede, schlichtweg deshalb weil ich sonst oft niemanden zum Reden habe.
Ich bin offener und gelassener als früher, nur merke ich, dass ich für Zivilisationsprobleme, die sich Leute unnötig selber machen, noch weniger Verständnis habe, als ich das früher schon hatte und das widerspricht sich natürlich mit meiner Aussage.
10.Was für Pläne hast Du nach der Reise? Planst Du eine Rückkehr in Deinen normalen Alltag?
Die Frage kann ich Dir nicht beantworten. Alles ist offen, wobei ich mir einen Alltag zu Hause nicht mehr vorstellen kann. Den hatte ich aber eigentlich auch noch nie jemals zuvor gehabt.
Ich liebe das Leben hier drauβen und es gibt für mich im Moment keinen Grund die genialste Reise meines Lebens abzubrechen. Es ist mein Leben geworden, ein tolles und irre spannendes Leben, voller Abwechslung und Aufgaben, die ich täglich bewätligen muss. Es ist auch die stressigste Zeit meines Lebens, aber es ist ein erfüllender Stress, der mir zeigt, dass ich es schaffen kann, egal was vor mir liegt.
Es ist ein wahnsinns Freiheitsgefühl einfach morgens nicht zu wissen wo man abends sein wird. Es macht süchtig. Ja, es ist die genialste Zeit meines Lebens.
Heike, vielen Dank für dieses interessante Interview!
Möchtest Du mehr über Heike und ihre Fahrradweltreise lesen? Besuche sie auf ihrem Blog Pushbikegirl und auf Facebook.
christine says
Hallo Heike,
ich habe alles gelesen,
wunderbarer Bericht,
du bist stark,
wenn ich so stark wäre,
aber alleine,
NO,
ich werde mir den Nordseebad vornehmen,
nicht alles,
aber ein ganzes Stück,
gute Reise,
viel glueck
gute Menschen,
Frohe Ostern
liebe gruesse,
Christine :-)