Ait Ben Haddou liegt nicht allzu weit von Marrakesch entfernt. Tatsächlich sind es nur ca. 200 km rein Fahrstrecke. Ein Katzensprung sozusagen, wenn da nicht das Atlas-Gebirge wäre, das es zu überqueren gilt, wenn man dem wohl berühmtesten Berber-Dorf in Marokko einen Besuch abstatten möchte.
Wir brauchen mehrere Stunden für die Strecke. Es scheint als würden die Serpentinen im Atlasgebirge nicht enden wollen. Wir überqueren den Tizi n’Tichka Pass, blicken in atemberaubende Schluchten und sehen einfache Berberdörfer in Tälern und auf Bergen.
Ich bin völlig fasziniert von der Abgeschiedenheit und frage mich, wie die Leute hier leben, abseits jeglicher Zivilisation. Manchmal begegnen uns Leute auf der Straße. Mitten im Nirgendwo. Wo sie wohl herkommen? Wo sie wohl hinwollen? Fragen über Fragen in meinem Kopf, doch ich komme nicht dazu sie zu stellen, denn mit unserem Mini-Van brausen wir in einem Affenzahn an ihnen vorbei.
Langsam aber sicher schlagen mir die Serpentinen auf den Magen. Ich spüre eine leichte Übelkeit aufsteigen und hoffe, dass die Kurven und das Auf und Ab bald ein Ende haben.
Ait Ben Haddou – Wir sind angekommen!
Langsam wird das Land flacher. Wir lassen das Gebirge hinter uns und fahren durch eine Art Mondlandschaft. Während eines Stopps zeigt unser Fahrer Mohammed in die Ferne und sagt auf Englisch: „Da ist es! Das ist Ait Ben Haddou!“. In weiter Ferne erhebt sich die Lehmstadt am Horizont. Farblich passt sie sich fast an ihre Umgebung an.
Wir steigen im neuen Dorf aus. An der „Hauptstraße“ sehe ich einen kleinen Supermarkt, der recht touristisch wirkt. Gegenüber sind einige kleine Restaurants, die ebenfalls auf die Bedürfnisse des typischen Touristen ausgerichtet sind. Unter normalen Umständen würde sich hier kein Tourist hinverirren. Aber Ait Ben Haddou verschafft dem Dorf und seinen Bewohnern willkommene Einkommensquellen. Schließlich zählt die Kasbah zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Marokko und ist seit 1987 als UNESCO Weltkulturerbe anerkannt.
Wir gehen an winzigen Wohnhäusern vorbei, bis wir am fast ausgetrockeneten Flußbett des Asif Mellah stehen. Auf der anderen Seite erhebt sich das alte Dorf vor uns. Eine Brücke verbindet die beiden Ufer miteinander. Ait Ben Haddou sieht fast ein bisschen surreal aus. Eine Lehmstadt, umringt von Dattelpalmen, inmitten einer wüstenähnlichen Landschaft.
Kleine Gassen und Wege führen durch den Ort. Shops in traditionellen Häusern bieten Souvenirs zum Kauf an. Eine Frau sitzt vor ihrer Behausung und wäscht Kleidung mit der Hand. Sie sagt etwas zu uns, doch wir vestehen sie nicht. Schließlich lächeln wir uns zu und verabschieden uns. Mein Sohn läuft voraus. Für ihn ist das Ganze ein riesiger Abenteuerspielplatz. Kein Wunder, schließlich ist die Kasbah einer großen Burg nicht unähnlich.
Wir arbeiten uns vor bis zum Aussichtspunkt, der auf dem angrenzenden Berg liegt. Von dort haben wir einen fantastischen Blick auf das Dorf und die Landschaft. Bis zu 100 Kilometer weit kann man von hier oben sehen. Ein Moment um innezuhalten, durchzuatmen und zu genießen.
Auf dem Rückweg verlaufen wir uns. Der alte Dorfkern von Ait Ben Haddou ist nicht groß, aber die kleinen Gassen sind wie ein Labyrinth. Plötzlich stehen wir in einem Innenhof direkt am Flußufer. Zwei Frauen arbeiten dort vor sich hin und kichern, als sie unsere ratlosen Gesichter sehen. Sie deuten uns den richtigen Weg und nach ein paar Schlenkern finden auch wir wieder den Weg zurück ins neue Dorf, wo unser Mini-Van schon auf uns wartet.
Ait Ben Haddou – Fakten
- Ait Ben Haddou liegt ca. 200 km von Marrakesch und 30 km von Ouarzazate entfernt.
- Seit 1987 zählt der alte Dorfkern zum UNESCO Weltkulturerbe.
- Es wurde irgendwann zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert aus Lehmziegeln errichtet und seinerzeit vermutlich von etwa 1000 Menschen bewohnt.
- Derzeit leben noch fünf oder sechs Familien im alten Ortskern, während der Rest sich im neuen Dorf niedergelassen hat, das in den 1960er Jahren entstand. Das neue Dorf verfügt über eine touristische Infrastruktur.
- Ait Ben Haddou (altes und neues Dorf) wird vorwiegend von Berbern bewohnt.
- Für den Besuch musst Du nichts bezahlen und Du benötigst auch keinen Führer.
- Ait Ben Haddou wurde schon oft als Kulisse für Hollywood-Filme benutzt. Unter anderem wurden hier „Game of Thrones“, „Jesus von Nazareth“, „Lawrence von Arabien“, „Die Mumie“, „Gladiator“, „Die Bibel“ und „Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil“ gedreht.
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Warst Du schon einmal in Ait Ben Haddou? Verrate es mir in einem Kommentar!
Christina says
Ait Ben Haddou ist ein MUSS, wenn man sich schon in Marrakesch oder in der Umgebung befindet.
Wir waren sehr beeindruckt, unser Führer war leider nicht sehr motiviert, daher gaben wir ihm seine 100 Dirham und haben dann auf eigene Faust zu Ende erkundet. Das wichtigste hatte er uns immerhin gezeigt und auch erklärt.
Wir waren Ende Februar da, leider in der Mittagshitze. Wir fühlten uns etwas gebraten.
Wir brauchten 4 Stunden da hin, da die (einzige) Straße zur Zeit verbreitert wird.
D.H. ständig an Baustellen halten oder einen Steinschlag abwarten. Das war schon nicht so schön. Die Arbeiten dauern übrigens noch ca 2 Jahre. Nur zur Information.
Aber trotz dieser anstrengenden Fahrt, hat es sich gelohnt!
Sabine says
Hallo Christina,
danke für Deine Eindrücke.