Seit einem dreiviertel Jahr hege und pflege ich nun meinen kleinen Reiseblog. In dieser Zeit habe ich eine ganz neue Welt kennengelernt. Die Reiseblogger-Welt. Diese Welt ist faszinierend, spannend und ich fühle mich in ihr pudelwohl. Ich möchte nicht mehr weg, weil es mir Spaß macht, weil sich so viele interessante Menschen in dieser Welt tummeln und weil es so viel zu erfahren und zu lesen gibt. Ein Trend der jedoch immer mehr an Bedeutung gewinnt, und der vor allem bei den Reisebloggern dominiert, ist das „digitale Nomadentum“.
Eine für mich völlig faszinierende Entwicklung, die aufzeigt, wie weit wir in der digitalen Welt angekommen sind. Diese Entwicklung zeigt, dass jeder in der Lage ist, sich ein digitales Business aufzubauen und von unterwegs zu arbeiten, wenn er bereit ist, hart dafür zu arbeiten und das nötige Durchhaltevermögen aufbringt. Bekannte digitale Nomaden sind zum Beispiel Conni von Planet Backpack oder Feli von Travelicia.
Tanja von Reiseaufnahmen hat in einer Blogparade dazu aufgerufen, sich zu genau diesem Thema Gedanken zu machen. Da ich die Bewegung schon lange fasziniert beobachte, mache ich da gerne mit und verrate hier meine Meinung dazu.
Auf der Suche nach dem perfekten Leben
Viele Reiseblogger streben, animiert durch andere, eine völlig ortsunabhängige Tätigkeit an und wollen genau wie ihre Wegbereiter von unterwegs arbeiten und sich so das langfristige Reisen ermöglichen. Keine feste Wohnung, kein Bürojob, nur den Rucksack mit Laptop auf dem Rücken und das Flugticket in der Hand.
An diesem Punkt bin ich wirklich froh, dass ich bereits längere Zeit durch die Welt getingelt und die guten und schlechten Seiten kennengelernt habe. So weiß ich, dass ich auf Dauer kein glücklicher digitaler Nomade wäre. Mal abgesehen davon, dass es für mich mit Kind und Kegel eh keine Option darstellt.
Ich liebe es zu Reisen und neue Eindrücke und Erlebnisse aufzusaugen und ich genieße jede Minute davon. Immer wenn ich danach heim komme, bin ich voller neuer Energie, fühle mich wohl in meiner Haut und bin glücklich mit mir und meinem Umfeld. Das ist ein gutes Gefühl. Dieses Gefühl will jedoch immer wieder erneuert werden. Mit einer neuen Reise oder einem neuen Kurztrip gelingt dies wunderbar. Reisen ist für mich somit wie ein Lebenselixier.
Warum ich dann kein glücklicher digitaler Nomade wäre?
Ich möchte es Dir erklären. In einem Leben als digitaler Nomade fehlt das Heimkommen. Ich möchte auf Dauer nicht auf eine feste Homebase verzichten. Dies habe ich auf meiner Langzeitreise durch Südostasien und Australien gelernt. Anfangs wurde ich durch großes Fernweh getrieben und musste raus aus meinem geregelten Alltag. Ich war rastlos, unglücklich und fühlte mich „nicht angekommen“. Ich fühlte mich nicht zuhause, ich konnte keine Wurzeln schlagen. Ich wusste nicht warum und weshalb. Ich wusste nur: „Da fehlt was in meinem Leben. Es ist nicht ok, so wie es ist.“
Die ersten Monate auf Reisen habe ich alles aufgesogen. Strände, Städte, neue Bekanntschaften aus der ganzen Welt, Sehenswürdigkeiten. Als wir ganz am Anfang in Koh Samui am Strand lagen, sagte meine Freundin Christine etwas, das sich in mein Hirn gebrannt hat: „So geht es für uns jetzt weiter. So lange wir wollen.“ Es war die grenzenlose Freiheit. Ich war im Glücksrausch.
Nach vielen Monaten des Reisens, nach vielen Stränden, Städten, Bekanntschaften und Sehenswürdigkeiten, wurde das Reisen zu meinem Alltag. Die anfängliche Freude über all die neuen Dinge flachte irgendwann ab und es wurde irgendwie alles zur Selbstverständlichkeit. Klar, man kommt immer noch rum und sieht viel, aber es ist normal geworden. Es ist Alltag geworden.
Ein Leben auf Reisen birgt auch Entbehrungen, die einem am Anfang egal sind. Man nimmt sie einfach in Kauf. Irgendwann fängt es aber an zu nerven. Ganz langsam und schleichend habe ich angefangen die Dinge zu vermissen, die ich aufgrund der Reise liebend gerne hinter mir gelassen habe. Ich wollte wieder Privatsphäre und nicht mehr in Mehrbettzimmern schlafen. Aus Kostengründen war dies jedoch nicht möglich. Mein Rucksack und dessen Inhalt nervten mich nur noch. Ich wollte wieder meinen Kleiderschrank und meine gammeligen Backpacker-Klamotten in die Tonne kloppen. Ich wollte wieder in meinem normalen Job arbeiten und keine blöden Backpacker-Jobs in Australien machen. Die digitalen Nomaden haben es da heute ein wenig einfacher mit dem Geldverdienen. Nichtsdestotrotz muss das Geld ja verdient werden. Und dann sitzt man halt zehn Stunden am Laptop, statt am Strand zu liegen. Ich weiß, das ist immer noch romantischer, als in Hintertupfingen im Büro zu versauern.
Als ich nach fast einem Jahr beschloss nachhause zu fliegen, war die Zeit gekommen. Ich freute mich darauf, mir ein neues Zuhause zu schaffen. Eine feste Homebase. Die Vorteile, die diese mit sich bringt, sah ich nun in einem anderen Licht. Und das erste Mal in meinem Leben, war diese Rastlosigkeit verflogen. Ich ging wieder zurück nach Köln. Es fühlte sich richtig an. Ich konnte endlich Wurzeln schlagen. Ich war angekommen.
"The grass is always greener on the other side."
Heute bin ich eigentlich ständig vom Fernweh geplagt, aber ich weiß auch, dass ich auf mein Zuhause nicht verzichten mag. Es ist die Abwechslung, die das Ganze für mich spannend macht. Zu Reisen macht mich glücklich, weil es nicht alltäglich ist und für mich etwas Besonderes darstellt. Ich würde auch heute wieder eine Langzeitreise machen, allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum. Auf Dauer so zu leben wäre nichts für mich. Ich brauche einen Fixpunkt. Den habe ich heute in meiner Familie, meinem Zuhause.
Kein Leben ist perfekt
Nichtsdestotrotz bewundere ich Leute, die sich diese Art von Existenz aufgebaut haben und darin Ihre Erfüllung finden. Allein, dass es heute die Möglichkeit überhaupt gibt, ist einfach grandios. So kann sich jeder das für sich perfekte Leben selbst stricken. Allerdings darf man dabei nicht vergessen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Jede Lebensform hat positive und negative Seiten. Es liegt an Dir, Dich mit diesen zu arrangieren und den besten Weg für Dich zu finden. Den Weg, der Dich glücklich macht. Nicht jemand anderen.
Heute arbeite ich in Teilzeit, was mir viel Zeit für mich, meine Familie und meinem Blog lässt. Natürlich hätte ich gern mehr Urlaub, um länger und ausgiebiger zu Reisen. Am liebsten würde ich die kompletten Schulferien meines Sohnes zum gemeinsamen Reisen nutzen, aber da wäre der Urlaub ganz schnell aufgebraucht. Alles Vor- und Nachteile, mit denen man sich entweder arrangieren oder eine andere Lösung suchen muss.
Was sind Deine Erfahrungen und Gedanken zum digitalen Nomadentum? Verrate sie mir in einem Kommentar und mache mit bei Tanjas Blogparade! Sie läuft noch bis zum 15. August 2015.
Tanja says
Hallo Sabine,
was ein toller Beitrag. Und du sprichst mir da aus der Seele.
Auch ich kann mir nicht vorstellen auf Dauer zu Reisen.
Auszeiten, mal ein paar Wochen raus klar, aber auf dauer und nur reisen – das wär auch nicht meins, trotz dass mich das Fernweh manchmal verrückt macht.
Ich finde sogar, dass man durch das Reisen seine eigene Heimat und sein Zuhause mehr schätzen lernt. Man kommt zurück und freut sich auf sein Zuhause. Alle Zelte abbrechen und mein Zuhause aufgeben? Nein, das wär auch wirklich nicht meins.
Danke, dass du deine Gedanken so offen mit uns teilst.
Liebe Grüße,
Tanja
Sabine says
Hallo liebe Tanja,
da sind wir uns offenbar recht ähnlich. Wobei ich das Thema „digitales Nomadentum“ an sich durchaus reizvoll finde, aber es auf Dauer einfach nichts für mich wäre. Für einen gewissen Zeitraum könnte ich es jedoch durchaus genießen. Aber Du kannst es ja bald ausprobieren! Bin gespannt, was Du dann zu erzählen hast.
Liebe Grüße,
Sabine
Tanja says
Liebe Sabine,
vielen lieben Dank fürs Mitmachen bei meiner Blogparade. Es ist so schön, die Gedanken und Gründe zu lesen, die zu der jetztigen Lebenssituation geführt haben.
Deinen Satz „Reisen ist für mich somit wie ein Lebenselixier.“ kann ich 100 % unterschreiben und verstehe zu gut, den Wunsch nach mehr Urlaubstagen, genauso wie ich mich in dem Bedürfnis nach der Homebase wiedererkenne.
Toll finde ich, dass du die Erfahrung der längeren Auslandaufenthalte schon gemacht hast und daher besonders gut einen Vergleich ziehen und herausarbeiten kannst, was deine Bedürfnisse sind.
Auf noch viele schöne Reisen!
Viele liebe Grüße
Tanja
Sabine says
Hallo Tanja,
danke für die tolle Idee zu dieser extrem interessanten Blogparade. Ich habe gerne mitgemacht und bin gespannt, was für Artikel in nächster Zeit noch hinzukommen.
Liebe Grüße,
Sabine
Oli says
Hallo Sabine,
ich finde es vollkommen richtig, das Phänomen der Digitalen Nomaden kritisch zu betrachten. Vor allem die ganze Hamsterrad-Rhetorik finde ich einen gewaltigen Unsinn.
Aber ich finde, dass der Digitale Nomadismus dem Wunsch nach einer Homebase nicht widerspricht. Sobald du eine Ortsunabhängigkeit erreicht hast, kannst du dir das Leben ja so einrichten, wie es dir passt.
Mein Ideal wären serielle Homebases. Einmal ein paar Monate oder ein Jahr hier leben und dann weiterziehen zum nächsten Ort. Aber du kannst natürlich auch eine Homebase an einem Ort haben und von dort aus längere Reisen unternehmen. Und selbstverständlich kannst du auch alles Brücken zur Heimat abreisen. Da sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt.
Mein Problem ist eher: Ich finde, Reisen und Arbeiten ist ein bisschen problematisch. Ich mach das zwar, aber ich merke, dass meine Produktivität unterwegs sehr viel geringer ist und ich natürlich auch viel beim Reisen verpasse. Daher sehe ich das auch etwas realistischer.
Liebe Grüsse,
Oli
Sabine says
Hallo Oli,
Du hast Recht. Der große Vorteil dieser Lebensform ist natürlich, dass man die Freiheit hat, sich sein Leben so zu gestalten, wie es einem gefällt. Die Möglichkeiten sind da einfach wahnsinnig groß und nicht immer an die klassische „Nomadendefinition“ gebunden.
Was das Arbeiten angeht, glaube ich auch, dass man ein großes Maß an Selbstdisziplin an den Tag legen muss. :-)
Viele Grüße,
Sabine
Claudia says
Ein schöner Artikel. Es freut mich für dich, dass du es mal ausprobieren konntest, das lange Reisen. Das hab ich verpasst, da ich nach dem FH Studium gleich nen Job hatte und so von Anfang an „nur“ meine anfangs 24 Tage Urlaub. Ich habe mich, gerade früher, öfter gefragt wie es wohl wäre, wenn …
Mittlerweile weiß ich, dass alles so passt. Ich freue mich nach den Urlauben, von denen jeder irgendwie zu kurz ist, wieder auf zu Hause, auf Freunde und Familie, mit denen ich meine Erlebnisse in gemütlicher Runde teilen kann, auch auf die Arbeit – irgendwie. Und noch bevor ich zu Hause bin ist der nächste (manchmal sogar der übernächste) Trip bereits in Planung. Erst im Kopf, dann wird mit den Kollegen die Reisezeit abgesprochen und dann, …
Ich weiß heute, dass ich auf Reisen nicht würde arbeiten wollen. Es ist voll o.k. Beides zu trennen, so wie meine Arbeit und mein Privatleben getrennt sind. Jedes zu seiner Zeit.
Sabine says
Hallo Claudia,
ich finde, dass man tatsächlich auch ohne „Langzeitreise“ gut in der Welt rumkommen kann. Mir hat meine große Reise Spaß gemacht, aber es ist halt nichts, was ich auf Dauer machen könnte. Ein paar Monate hätte ich durchaus nochmal Lust, aber ganz heimatlos möchte ich nicht mehr sein. Andere finden darin aber ihre Erfüllung. Beides hat Vor- und Nachteile ;-)